Das ist die Stimme von Leonardo DiCaprio und Dr.Dr. Sheldon Cooper [podcast]

    2017-12-14 Synchronsprecher podcast

    Seine Stimme brachte Millionen zum Weinen, zerbrach unzählige Teenie-Herzen und erklärt täglich Leonard Hofstadter die Welt. Wenn Gerrit Schmidt-Foß spricht prallen „this boy´s life“, „Titanic“ und „The big bang theory“ aufeinander. Als Feststimme von Leonardo DiCaprio lieben ihn die Kinobesucher und jede Couch Potato sieht direkt Jim Parsons als Sheldon Cooper vor seinen Augen. Gerrit ist Synchronsprecher, Synchronregisseur und Schauspieler und in keinem Genre Zuhause.



    vor und hinter der Studioscheibe

    Dank seiner vielfältigen Erfahrung in den unterschiedlichsten Genres wie Comedy, Drama oder Romanze kann er auf eine ganze Palette von Fähigkeiten zurückgreifen. Aber er verleiht nicht nur seine Stimme, sondern leitet auch andere an, wie sie ihre Stimme zu verleihen haben. Immer wieder arbeitet Gerrit als Synchronregisseur. Dazu gehört auch die Textarbeit an den Drehbüchern – mit all ihren Tücken und Schwierigkeiten. Erfahrung ist gut und schön. Was aber hier zählt, ist ein hohes Maß an Sprachgefühl.


    „Wichtig erst einmal, wenn ich selber texte, man muss immer versuchen eine Sprache zu finden, die auf den Charakter passt. Ich kann nicht einen Chirurgen, der seit 20 Jahren im Beruf steht, gleich sprechen lassen wie einen jungen Arzt, der gerade erst sein erstes Studienjahr hinter sich hat.“

    Zum Glück kann Gerrit auf über 30 Jahre Erfahrung zurückgreifen. Das hilft ihm auch, wenn es mal hapert bei der Arbeit. Denn nicht immer sind die Schauspieler oder die Synchronsprecher Schuld, wenn es gerade einmal nicht laufen will. Manchmal gibt es Feinheiten im Text, die nicht ganz passen. Daran muss Gerrit dann feilen, bis es optimal passt – zur Szene, zum Schauspieler, zum Synchronsprecher.

    Okay? Okay!? Okay!

    Mit der Synchronarbeit ist es ja so eine Sache. Die Sätze sollen perfekt übersetzt sein, gleich viele Silben haben, in die Umgangssprache, Filmesprache und zum Alter des Schauspielers passen. Natürlich müssen dann auch lippensynchron gesprochen werden. Nicht wenige Aspekte, die zu beachten sind. Das kann ganz schön eine Zerreißprobe sein. Für den Perfektionisten Gerrit kann es deswegen schon mal auch mal Stunden dauern, bis dieser Satz ganz genau sitzt. Denn er ist ein Liebhaber von Worten. Von diesen kleinen Feinheiten in der Sprache. Vor allem der deutschen Sprache. Deswegen findet er es schade, dass merkwürdige Übersetzungen aus dem englischen den deutschen Sprachgebrauch negativ beeinflusst haben. „Es macht Sinn“ ergibt keinen Sinn und das ganze „Okaye„ ist für ihn auch nicht so ganz in Ordnung. Gäbe es für das amerikanische Okay doch so viele deutsche Varianten, verstanden?


    „An anderen Stellen gibt es eine Sache. Wenn einer im englischen sagt „Alright“. Da gibt es fast keine andere Übersetzung im Deutschen als ein „Okay“. Also es ist pervers, was wir da teilweise machen.“

    Gut, manchmal muss es dann doch „Okay“ sein, okay? So lange damit aufgehört wird „Bullshit“ mit „Bullenscheiße“ zu übersetzen und der „Wingman“ nicht mehr zum „Flügelmann“ wird. Sein Synchon-Favorit ist übrigens Rocky 1. Anschauen und hinhören!

    Arbeiten mit Idolen

    Die Synchronarbeit ist im Vergleich zu vielen anderen Berufen eine junge Branche. Deswegen ist es für viele Synchronsprecher noch möglich gewesen mit ihren Idolen und Vorbildern zusammenzuarbeiten. Für Gerrit war es Tilly Lauenstein – Synchronstimme von u.a. Katherine Hepburn. Mit ihr durfte er als Kind bereits vor der Kamera stehen und später dann auch im Synchronstudio gemeinsam an den Aufnahmen arbeiten. Begeisterung schwingt in seiner Stimme mit, wenn er von den Stunden im Atelier spricht.


    „Ich weiß noch, ich habe neben ihr gestanden. Ewig lange Texte gesprochen. Damals haben wir noch gemeinsam aufgenommen. Und dann sollte ich nur antworten mit „Jawohl, Madame“. Sie hat die langen schwierigen Takes gemacht. Fast immer perfekt. Und durch Kleinigkeiten dann doch nicht. Und dann dreht sie sich um zu mir und sagt: „Ach, jetzt müssen Sie meinetwegen das hier 20 Mal aufnehmen.“ Ich dachte dann immer so: „Nein ich darf neben Ihnen sprechen, Frau Lauenstein.“

    Also selbst jemand der Hollywoodgrößen synchronisiert, kann noch zum kleinen Fanboy werden.

    Vom Kaiser zum Revernant

    Die wundervolle Welt des Synchronsprechers: Jeden Tag in eine neue Rolle hineinschlüpfen. Ganz schnell. Ohne Maske oder Kostümprobe. Das macht Gerrit schon seit seinem siebten Lebensjahr. Alles dank seines Bruders. Er wollte nämlich zum Film und hat sich einfach selbstständig auf eine Zeitungsannonce gemeldet. Das fand die Produktionsfirma klasse. Er bekam seine ersten Jobs und dann hieß es „Du hast doch Geschwister. Bring die mal mit“. Und so wurde Gerrit mal zum kleinen Kind in „Highlander“ oder zum Kaiser in „Der letzte Kaiser“ – stimmtechnisch versteht sich. Und dann kam die wegweisende Chance. Im Jahr 1992 sprach Gerrit den damals unbekannten Schauspieler Leonardo DiCaprio in „This boys life“. Es dauerte zwar ein paar Jahre, aber dann wurde er zur Feststimme des Hollywoodschauspielers und verursachte mit seiner Arbeit beim deutschen Publikum Tränenströme in „Romeo und Julia“ und Wutanfälle in „Django Unchained“. Gerrit genießt es sichtlich mit dem Schauspieler verknüpft zu sein. Er genießt - mit Vorsicht.


    „Denn es müssen zwei Sachen erfüllt sein: Denn zum einem muss man – und ich hoffe – schauspielerisch gut genug sein um das machen zu können. Zum anderen muss die eigene Stimme auch der des original Schauspielers sehr ähnlich sein. Das heißt wäre meine Stimme eine ganz andere, sehr viel tiefer zum Beispiel, dann hätte ich niemals DiCaprio bekommen, obwohl ich hoffentlich spielerisch gut genug bin dem gerecht zu werden.“

    Die Selbstzweifel sind im Fall DiCaprio nicht angebracht. Synchronisiert er den Amerikaner nun schon seit 20 Jahren nonstop.

    Es geht auch ohne Studium

    Während andere üben und lernen und versuchen mit viel Ehrgeiz in die Synchronberuf einzusteigen. Ist Gerrit ja einfach dank seines Bruders dort reingerutscht. Er erlernte seinen Beruf beim Ausüben. Learning by Doing. Jeden Tag, jede Woche schaute er bei den anderen zu.


    „Ich habe ganz viel nebenbei aufgeschnappt ohne dass man genau weiß, was eigentlich gelaufen ist.“

    Atmen, Pausen und Lücken setzen. Tausend Kleinigkeiten. Klassisch ausgebildet ist er nicht. Er wollte zwar mal Regie studieren. Aber das hat er doch mal ganz einfach prokrastiniert. Erst fühlte er sich zu jung, dann waren die Fristen vorbei, dann lief es zu gut. Und schwupps waren die Jahre vorbei. Ein Luxusproblem, dass man zum Studieren nicht kommt, weil es beruflich zu gut läuft. Davon träumen wohl viele Studenten.

    Bildhauer, Maler oder Designer

    Doch wie kommt man denn nun heutzutage ins Synchrongeschäft. So einfach wie Gerrit wahrscheinlich nicht mehr. Immer mehr wird eine solide Ausbildung gefragt. Dabei werden ganz bestimmte Eigenschaften erwartet – vor allem schauspielerisch. Und dafür Gerrit hat eine sehr schöne Analogie. Theaterschauspieler sind als Bildhauer zu verstehen. Sie haben meist Monate Zeit an ihrem Kunstwerk – die Performance – zu arbeiten. Filmschauspieler hingegen sind Maler. Die Leinwand und somit der Zeitrahmen ist begrenzter.


    „Ich als Synchronsprecher bin einer, der Collagen herstellt. Ich habe ein Potpourri aus Schnipseln und eine ganze enge Leinwand. Und ich muss versuche, das was die Schnipsel mir mal vorgegeben haben, mit meinen Möglichkeiten nachzubauen.“

    Als Synchron kann er nicht viel abweichen von dem, was der Schauspieler ihm hergibt. Sich selber zurückschrauben. Selbst, wenn Gerrit denkt, der Schauspieler sollte eher später oder früher weinen, ist es keine Option. Er weint, wenn der Schauspieler weint. Egal welches Genre, der Schauspieler verdient es so nah und treu wiedergegeben zu werden wie nur möglich – so lange es ein guter Schauspieler ist. Ist er nicht ganz so gut – ja, dann darf man mit seiner deutschen Synchro auch gerne mal nachhelfen – sagt Gerrit.

    Hörspiel vs Werbung vs Synchron

    Für Gerrit ist das Sprechen von Werbung nettes Zubrot. Er möchte allerdings nicht, dass seine Stimme überall zu hören ist und wählt daher gezielt aus. Er arbeitet am liebsten als Synchronschauspieler oder im Hörspiel. Da freut er sich immer, wenn er den Erzähler sprechen darf. So erfüllt er sich immer wieder einen Kindheitstraum. Für ihn waren Erzähler immer faszinierend. Sie wussten so viel. Gleichzeitig ist ihm bewusst, dass Kinder sein kritischstes Publikum sind.


    „Kinder merken auch, ob man Quatsch macht um Quatsch zu machen oder ob man sie verarscht. Und dieser Grad ist ein ganz schmale.“

    Trotzdem oder gerade genau deswegen liebt Gerrit seine Arbeit. Mit seinem vielfältigen Repertoire wird der gebürtige Berliner wahrscheinlich nicht so schnell ohne Arbeit sein. Insbesondere so lange Leo noch Filme drehen wird oder Sheldon Cooper Pasadena unsicher macht.

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