Samuel L. Jackson und Bill Cosby: Engelbert von Nordhausen

    2018-07-26 Synchronsprecher podcast

    Stell dir vor du hängst mit Samuel L. Jackson und Bill Cosby ab. Crazy oder?

    Genau das hab ich gemacht :) O.K . fast, aber mit Engelbert von Nordhausen ist es mindestens genauso cool! Engelbert ist eine echte Synchronlegende, er spricht Jackson und Cosby seit Urzeiten! Und er erinnert sich an alle seine Filme und kann die Stories erzählen, als wären sie die letzten Projekte gewesen.

    Engelbert hat Samuel L. Jackson in mittlerweile 63 Filmen gesprochen. Für Hardcore Binger ist seine Stimme Haushaltsmitglied. Seit 2005 spricht er Morgan Jones in „The Walking Dead“.

    Insgesamt rund 1700 Mal als Synchronsprecher gearbeitet und rund 1800 Drehbücher geschrieben. Not too shabby...



    Arbeiten im internationalen Filmgeschäft

    Für Engelbert ist das Arbeiten mit amerikanischen Produktionen, wie für „The Walking Dead“, sehr abenteuerlich. Denn sie werden szenenweise produziert, ohne dass die Schauspieler der gesamten Zusammenhang kennen.

    Schwierig wird es nur, wenn Teile fehlen. Das passiert in der Zusammenarbeit recht häufig.

    Manchmal passiert es aber auch, dass die Produzenten schlichtweg hinterher hinken und ihren eigenen Zeitplan nicht einhalten können. Dann ist es auch mal an Engelbert Hackengas zu geben und zu versuchen die verlorene Zeit aufzuholen.

    Es kann aber auch richtig schnell gehen. So wie bei „The Walking Dead“. Am Wochenende kommen die Töne, dann wird alles bearbeitet und am Donnerstag ist die Folge mit der deutschen Synchronisation schon zu sehen.

     

    Von Engelbert zu Sam Jackson

    Wie Engelbert ist auch Samuel L. Jackson jemand, der anscheinend nicht still sitzen kann. Es scheint also fast Schicksal zu sein, dass die beiden zueinander gefunden haben. Dabei war es eher Zufall wie er zur Fest-Stimme des Amerikaners wurde. Er war in der Kantine und wurde einfach mal angesprochen:

     

    „Du sag mal, du hast doch Sam Jackson auch schon mal gesprochen!“

    „Ja, sagte ich, 93, 94.“

    „Ja, dann komm doch mal mit schnell ins Atelier und wir machen gerade den Trailer und sprich den doch mal.“ Und den ersten Satz, den er sagen musste war „Mein Name ist Shaft. Sonst noch Fragen?“

     

    Nach einer großen Castingpleite hatten sie dann doch ihren deutschen Samuel L. Jackson gefunden. Seitdem ist die markante Stimme, die immer klingt als wäre sie leicht im Stimmbruch, unzertrennlich mit Sam Jackson verbunden. Das spielt natürlich auch Engelbert in die Karten, weil er sich nun darauf verlassen kann bei jedem neuen Jackson-Film angerufen zu werden. Das hat er sich aber auch verdient. Denn er ist Synchronschauspieler durch und durch. Egal, ob er mal Lispeln muss wie in „The King's Men“ oder einen spanischen Akzent zum besten gibt. Engelbert ist wandelbar, nimmt sich selber nicht zu ernst und macht, was von ihm verlangt wird.

    Zu seiner Professionalität gehört für ihn auch, dass er sich hier und da kleine Freiheiten herausnehmen kann. Er möchte, sofern möglich, gerne seinen Figuren einen Hauch Engelbert verleihen. Nach so vielen Jahren in der Branche, weiß er natürlich was er machen kann und was nicht.

    Synchronschauspieler oder Synchronsprecher

    Die große Diskussion in der Synchron-Welt. Sind es nun Synchronsprecher? Synchronschauspieler? Beides? Während viele sagen, dass sie Sprecher sind, sagen andere gerne, dass sie definitiv schauspielerisch arbeiten. Auch, wenn sie nicht zu sehen sind und viele Vorgaben haben. Engelbert sieht das genauso. Besonders bei Zeichentrickfilmen oder Animationsfilmen lebt er sich gerne aus. Er erinnert sich gerne zurück an Quacks den Bruchpiloten in „Ducktales“ oder Gaston in „Die Schöne und das Biest“ (1991).

    Ich bin bloß einen anderen Weg gegangen. Synchronisation ist nichts anderes als Schauspielerei im Kopf.

    Er unterscheidet da ganz genau. Auch zwischen Synchronsprechern. Manche, so Engelbert, sprechen jede Rolle gleich und andere geben jedem Charaktere seine individuelle Note.

    Wie alles begann

    Engelberts Karriere begann, wie bei vielen Synchronsprechern in seiner Altersklasse, mit einer Ausbildung zum Bühnendarsteller am Theater. Zum Synchron kam er durch eine Mitschülerin. Ihr Freund hatte ein Synchronstudio aufgemacht und brauchte Sprecher. So kam eins zum anderen. Ab 1984 ging es dann mit dem ersten großen Film los: Soldier's Story („Sergeant Waters“ in Deutschland).

    Bemerkenswerterweise kann Engelbert von jedem seiner Filme die Geschichte erzählen. Man merkt, dass er seinen Job wie auch Filme liebt. Kein Wunder also, dass er sich auch auf Filme, wie „Glass“, die Fortsetzung von „Unbreakable“ freut – natürlich mit und als Samuel L. Jackson.

    Ein anderes großes Kapitel in Engelberts Lebenslauf ist die Bill Cosby Show. Gerne denkt er auch an die Zeit zurück als er Bill Cosby gesprochen hat. Später führte er ebenfalls die Dialogregie. Das Arbeiten empfand er immer als sehr familiär. Die Serie war damals überaus erfolgreich und erreichte Einschaltquoten, die es heutzutage kaum noch gibt. Teilweise sahen 7 Millionen Menschen in Deutschland zu und hörten Engelberts Stimme.

    Engelbert synchronisierte Bill Cosby bis zu dem Zeitpunkt als er von der Bildfläche verschwand. Er ist begeistert von Cosbys komödiantischen Talent, aber differenziert ganz klar zwischen der Person Bill Cosby und der Comedy. Er war geschockt, als die News der Missbrauchsvorwürfe kam. Für ihn ist die Karriere von Bill Cosby vorbei. Zu Recht, wenn stimmt, was gesagt wurde. Generell muss sich noch einiges ändern, meint Engelbert.

    Morgens Mörder, mittags Märchenprinz und abends Hund

    Für viele ein Traum. Jeden Tag in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen. Als Synchronsprecher sogar ohne Makeup oder Kostümprobe. Jede Rolle kann in Sekunden angenommen werden. Also, wie bereitet sich eigentlich Engelbert für seine Rollen vor? Für einen Sam Jackson Film fährt er ganz einfach ins Atelier. Wenn er Glück hat, gibt es eine Vorführung des Films. Alleine durchs Anschauen kann er sich bereits in die Rolle hineinversetzen. Die Vorteile einer Schauspielausbildung. Aber manchmal gibt es den Film vorher nicht zu sehen und dann muss Engelbert sofort ran. Über die Jahre sind die Filmvorführungen immer weniger geworden. Der Grund: die Angst vor Raubkopien.

    Amazon Video, Netflix und Co.

    Nicht nur die Arbeit im Atelier hat sich über die Jahre geändert. Auch das Theater und die Schauspielerei vollzogen einige Veränderungen. Aber aus einem ganz anderen Grund, findet Engelbert. Für ihn hat sich das Publikum gewandelt. Das junge Publikum ist Schnelligkeit gewöhnt. In der Handlung und auch in den Schnitten. Das kann man auf der Bühne nicht liefern. Das ist aber kein Grund zum Stillstand zu verfallen und zu behaupten, junge Menschen seien der darstellenden Kunst fern. Kunst hat sich schon immer weiterentwickelt und wird es jetzt auch tun müssen, sagt Engelbert.

    Deswegen begrüßt er zum Teilen die neuen Entwicklungen. Die Leute sitzen nun Zuhause und schauen auf Handy und Tablet und füllen nicht mehr die Theatersäle. Auf den Tablets laufen Streamingdienste und bieten neue Möglichkeiten Geschichten zu erzählen. Bis vor wenigen Jahren war es üblich, dass eine Folge pro Woche im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Nur zu einem bestimmten Zeitpunkt. Bingewatching, permanente Verfügbarkeit und die always-on-Mentalität bieten die einmalige Chance, Geschichten in zehn Stunden zu erzählen und ganz anders aufzubauen.

    Engelbert selbst arbeitet auch für Serien von Streamingdiensten. Aktuell ist es „Ozark“ (Netflix). Eine Serie über einen Familienvater, der fürs mexikanische Kartell Geld wäscht. Engelbert hat die Bücher für Deutschland fertiggestellt und auch die Besetzung mitentschieden. Seine Frau übernahm die weibliche Hauptrolle. Für ihn war die Arbeit ein kleines Highlight. Begeisterung! Pure Begeisterung ist in seiner Stimme zu hören.

    Also das war toll. Wir hatten auch wirklich Spaß bei der Arbeit. Das war eine Entwicklung in dieser Serie. So fantastisches. Wo du einfach sagst „oh weia, Leute, macht ihr das nicht ein bisschen kleiner.“ Was die für Storys gedreht haben. Plötzlich, Leute sterben auf eine so spektakuläre Art. Also alle die da waren, waren großartig in der deutschen Fassung. Die Amerikaner, die es gedreht haben: Super!

    Und damit auch alles so super ist, ist es wichtig, dass die zentrale Rolle in der Synchronisation gut besetzt ist. Das ist nicht der Hauptdarsteller, sondern die Person hinter den Kulissen. Der Regisseur. Er/Sie hat die wichtige Aufgabe zu hören, ob jemand nur spricht oder wirklich in der Rolle ist. Die Zusammenarbeit ist wichtig. Eine vertrauensvolle Basis, damit der Synchronschauspieler sich auch entfalten kann. Der Regisseur muss an den richtigen Stellen eingreifen, formen und unterstützen.

    Obwohl er seinen Job liebt, gibt es eine Sache, die ihn stört: das einzelne Aufnehmen. Früher waren noch alle Beteiligten einer Szene im Atelier und konnten somit die Dialoge tatsächlich miteinander spielen. Nun steht man alleine vorm Mikrofon und spricht es für sich ein. Engelbert hofft, dass er irgendwann wieder im Dialog aufgenommen wird. Das wird aber wahrscheinlich nicht passieren. Denn Zeitmangel und Terminstress verhindern meist, dass mehrere Schauspieler zusammenkommen.

    Sein finaler Rat

    Wer sich hierauf einlässt, muss wissen, dass er immer in einem Haifischbecken schwimmt. Das ist in der gesamten Branche so, ob in der Filmbranche, in der Theaterbranche. Das ist so.

    Denn Schauspieler, wenn sie anfangen, können beim Theater kaum noch etwas verdienen. Man kann nicht wirklich davon leben. Klinken putzen, den Leuten auf die Nerven gehen, wer Talent hat wird sich durchsetzen, da ist sich Engelbert sicher.

    Und bis neue Talente ihn vom Thron stoßen, hat er noch einiges in der Pipeline. Zwei Hörbücher sind von ihm bereits geschrieben und weitere Filme sowie Serien in Planung.

     

     

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